Ein treffend gecastetes shooting @ Winkhaus's place
Protagonist war Sascha Lobo, der Fotograf, der Redakteur, die Bildredaktion, der Artdirector, das Make-Up, das Setdesign, die Assistenten, das Gaffer, es waren viele, der, der den Film über das Ganze machte, alles stimmte, die weiße Hose, die Hornbrille, die Assistentenjeans, der Bart, der Appel, der Anzug, das Englisch, die Bionade, die Zisch hieß, das vegane Catering mit Biogeschmack ...
CINEMA FOR PEACE, DAS DINNER
ich habe es geschafft, auf den blauen Teppich angehalten zu werden, damit sie noch ein Foto von mir machen können. Also gut, es ist zwar kein ‚black tie' aber dann doch soviel Gold an mir und Daunen, daß es zum Freak unter den Gästen reichte. 'So ein Style haben wir hier noch nicht', sagte mir ein schwarzer Anzug mit Fliege, ich fasse es als Kompliment auf, aber nur, weil ich Mut brauchte um reinzugehen, zu meinem Tisch, Nummer 28.
Im Saal viele Tische, sah ganz gut aus, wie immer, funktioniert, ja, kann man machen, ich könnte überall auf dieser Welt, bei einer Gala, sein: Berlin, New York, Shanghai, egal, immer das Gleiche: weiße Tischdecken, große Kerzenhalter, die Tischleuchter gleichen, Wein-Wassergläser, Blumen, vorne ein Rednerpult, die Bühne, die Leinwand. Ich suche meinen Tisch.
Hinten rechts, aber nicht die letzte Reihe, gut, dann bei den Sponsoren, ich setzte mich neben einem sympatisch wirkenden Mann, der den Platz neben sich frei hielt für seine Begleitung, Skoda, oh, ja alle von Skoda, nun gut, noch war ich nicht angekommen, noch war die Umgebung und wer, was wichtig. Dann begann alles mit kurzen Einspielern, verletzte, hungernde, leidende Menschen, auf der Leinwand vorne, der Ton zu laut, oder auch gut so, so konnte man sich nicht unterhalten. Militär, Bomben, ja, jetzt bin ich da, bei Euch, Ihr, die Ihr um die richtige Sache kämpft, die Ihr Geld sammelt für eine bessere Welt, auch wenn dieses nicht geht ist doch schon der Ansatz und all die Mühen ein Anfang, auch wenn die Filmstars zu kurz bleiben und Ihre Person einsetzen, damit Geld zusammenkommt, ist doch gut, wer sonst, würde sich auf die Bühne stellen und sagen wer bietet Geld für ein Essen mit mir?
Dann kam diese Frau, zu spät, sie setzte sich neben mich, auf den freien Platz. Eigentlich sind es diese Personen, die die Kriege verursachen, arrogant, selbstherrlich in Ihren Aufgaben, missgebildet und immer diesen vergleichenden Blick auf das Gleichgeschlechtliche gegenüber. Diese Art von Blick, der dann noch spürbar ist, fast physisch, auch wenn man Ihr den Rücken zudreht. Es sind Personen, die immer so aussehen, also ob sie gerade aus der Dusche kommen, die perfekte Frisur, ein Kleid, welches den Körper in seinen Formen zeigt, ob korpulent, oder dürr, er wird gezeigt. Sie haben kein Lächeln, auch die Augen sagen nichts Gutes über die Welt, die sie sehen müssen, sie schauen einen noch nicht einmal an, wenn man sie höflich begrüßt, wie man es gelernt hat, nichts, kein leises nicken, einfach nur Wand. Ich versuche noch weiterzugehen in meiner Höflichkeit mit der Hoffnung, daß ich doch noch ein leichtes Lächeln über Ihrer versteinerten Lippen bekomme und helfe Ihr sich auf Ihren Sitz zu setzen, indem ich schnell all die Werbeprospekt und Anhänger all die Dinge entferne, die für die Galagäste mit Erwartung auf sofortigen Cashflow, unpraktischer Weise auf den Stuhl gelegt wurden, dabei haben die Verantwortlichen bestimmt nicht daran gedacht, daß die Frauen lange Röcke tragen werden und noch ein Glas Sekt in der Hand halten werden, es somit sehr kompliziert wird sich hinzusetzen, mit all den Kram auf den Platz, nun gut, mir war es nicht leicht und so nahm ich meiner 'artificial intelligencia' die Dinge vom Stuhl, aber tatsächlich, kein Lächeln, noch nicht einmal ein sanfter Blick. Ja, wegen Euch existieren Kriege. Ich stellte fest daß diese Dame wohl die fatalste Besetzung für Cinema for Peace war. Aber sie mußte ran an meinen Tisch, um mich dieses bewußt werden zu lassen, Danke, wer immer mich das spüren lies. Die Geladenen passen nicht zusammen, es kommt eben darauf an was man nicht sehen möchte, dann ging es ganz gut mit den Unterschieden klar zu kommen, da waren auf der einen Seite die tief ausgeschnittenen Seidedenkleidchen, die wie ein Windhauch an mir vorbeizogen und den Boden so gerade nicht berührten, perfekt umgenäht und soviel Parfüm, daß ich die Personen dahinter kaum mehr wahrnahm. Die Udo Waltz Frisuren, make-up, Silberblick. Auf der anderen Seite, die Intelektuellen, die mit den Hornbrillen, den 60iger Jahren Anzügen, die halbglatzen in zu großen Anzügen mit ihren Instrumenten in der Hand, die älteren Damen, die sich mit Würde an dem Geschehen beteiligen, indem sie einfach nur zuhören und da sind für das Geldeinsammeln, um Filme machen zu können, die einem die Augen öffnen, wenn auch nur kurz. Ich meine, man kann immer Kritik üben, aber, mal ehrlich, ihr Schmeißfliegenjournalisten, ist es wirklich der Rede wert daß ein kaum erkennbar betrunkener Veranstalter spricht, einen den Ihr als volltrunken beschreibt, dabei seit es ihr, die ihn dazu gemacht haben, mir ist es nicht aufgefallen, aber vielleicht habe ich hier eine größere Tolleranzgrenze. Ist es alles der Rede wert, das heir Pannen passieren, wir sind Menschen, die Pannen passieren und, wißt Ihr wofür? Dafür, daß Filme gedreht werden können, die auf die Missstände der Welt aufmerksam machen, dafür, daß das Weltgericht zur Rechenschaft gezogen werden kann, die habgierigen Industriellen und Großgrundbesitzer, die alles vergiften um noch mehr in Ihre eigenen Taschen zu stecken, egal welche Menschen, Pflanzen drauf gehen, Kindersoldaten in den Krieg müssen, Kinder paar hundert Kilometer entfernt von euren warmen grauen Presseboxen aus denen Ihr eure Anklagen rausschreit, erfrieren, weil sie auf der Flucht sind, dies alles wird angesprochen und gezeigt, aber nein, ihr könnt nur darüber lamentieren, das Portland gleich wieder ging und das Natasia Kinki mit 2 Bietern für 6000 und 5000 essen geht, möchtet Ihr das Geld spenden, nein, ich denke und bin überzeugt das nicht. Was für eine Frau, Fatou Bensouda, sie ist seit 2012 Chefanklägerin beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag gegen Kindersoldaten Vergewaltigung, Unterdrückung für mehr Gerechtigkeit, Respekt, einfach Menschlichkeit, für den Erhalt der Würde, wo steht sie bei Euch in den Berichten, wer hat über Ihre Rede etwas geschrieben? oder wart es Ihr, die dann während sie auf der Bühne stand, auf euren Smartphone spielten?
Es gibt viele und vieles zu Würdigen, am Ende waren großartige Redner, Filmemacher, Musiker, Künstler auf der Bühne und für eine Angelegenheit, die uns alle angeht, auf die wir verpflichtet sind die Augen zu richten, und es sind bestimmt nicht die leicht angetrunkenen Veranstalter oder Stars die nur zu kurz blieben, die hier wichtig sind, oder viel zu junge Maistreampunks, die für den Inhalt der Stiftung stehen, es geht hier um die Würde und den Respekt gegenüber des Menschen, auch um Deine Würde, der dieses liest.
Die Nacht, in der mir Herr Eden anbot, seine Pilze zu essen
BILD UND TEXT: BEATE APPEL
Uns hat das Schneetreiben in die Parisbar geweht, aber auch schiere Abenteuerlust. Dürfen wir rein? Oder schmeissen sie uns hochkant raus, sich noch nur zu gut an Tinas letzte Kunst-Guerilla-Aktion erinnernd? (Sie hatte, um ihren Protest gegen die Kunstbanausen Ausdruck zu verleihen, allen Tischen die Decken entrissen.) 21 -22 -23 .... Die Kellner sagen nichts, schauen streng auf uns herab, aber sie nicken mit dem Kopf. Tina freut sich. Ich auch. Vor 25 Jahren war ich hier zuletzt. Mit der Wiener TV-Schickeria, als das Pretty Woman des Erfinders des Sat.1 Logos, und staunte. Aber das ist eine andere Geschichte.
Hier ist die Zeit stehen geblieben. Ein wenig fühle ich mich tatsächlich wieder wie damals. Schön, denn das passt zu diesem 'do you know where you're going to'-Tag. An der Decke hängt immer noch das 'stand still and rot'hinter der Rakete von ... Wir sitzen darunter. Direkt vor der Bartheke. Vermutlich haben sie uns diesen Tisch zugewiesen, weil sie da Tina gut im Blick haben. Ein alter aber sehr blonder Mann im weissen Anzug schreitet durch den Raum und grüsst freundlich in die Runde. Er setzt sich neben mich und wünscht mir einen guten Abend. Es ist Rolf Eden. Und wir sitzen offensichtlich neben seinem Stammtisch. Tina erzählt den Tischnachbarn (Agenturbosse) auf der anderen Seite von ihren Erlebnissen mit den Holocaust Überlebenden. Herr Eden bekommt unaufgefordert Wein, den Tagesspiegel und eine italienische Vorspeisenplatte mit im Quark aufgerichteten Kräckern serviert. Ich wünsche guten Appetit. Herr Eden sagt: Danke sehr, mögen Sie meine Pilze essen? Ich freue mich über soviel unerwartete Fürsorge, lehne aber dankend ab. Die Dinger sehen ehrlich gesagt nach den gekochten Hoden aus, die gerne den Dschungelcampbewohnern vorgesetzt werden. Wir einigen uns, dass Pilze unser beider Fall nicht sind und eher in den Bereich des Unverdaulichen einzuordnen. Tina sagt, I love you forever und hält meine Hand. Wir beschliessen, unsere Wohnungen mit dem reichen römischen Kunstsammlerpaar zu tauschen, die sie im Web gefunden hat, gegen deren toskanisches Landgut und den Sommer dort verbringen werden. Herr Eden bekommt derweil Besuch von der Next Playboy Generation. Sein Stammtisch füllt sich. Alles,original 89iger, nur eben drei Jahrzehnte später. Herr Eden lässt Bericht erstatten. Tina macht sich über die Fritten der Agenturbosse her. Oder über die Agenturbosse. Ich trinke meinen Martini Cocktail aus und verabschiede mich. Herr Eden wirft mir einen diesen Blicke zu, die 10 Sekunden zu lang sind, um beliebig zu sein, beliebe it or not, und so voller Wärme und Güte, dass es mich anrührt. Wer weiss, hätte ich damals bei meinem letzten Besuch schon neben ihm gesessen, was passiert wäre. Ich garantiere für nichts.
WEARING WINKHAUS
ZEITZEUGEN, DAS DINNER, ANLÄSSLICH DER AUSSELLUNG IM BUNDESTAG: DER TOD HAT NICHT DAS LETZTE WORT
www.bundestag.de/kulturundgeschichte/ausstellungen/parl_hist/tod_letzte_wort
Lieber Thorsten,
ich komme jetzt erst dazu dir zu schreiben.
ja, es war ein nachhaltiger Abend, es kamen 40 Gäste, ich habe einen langen Tisch aufstellen lassen, sie kamen geschlossen, das Erstaunliche war, sie strahlten eine Ruhe aus, keine Hysterie, sie hatten Respekt und Wärme, den Sanftmut, den nur Menschen bekommen können, die viel gesehen haben, ich habe vorher noch keine Menschen getroffen, die dieses spürbar nach außen tragen konnten.
Es kam Greta Klinsberg, sie hat in Theresienstadt im Kinderchor gesungen, die Hauptrolle der Kinderoper 'Brunibär' gespielt, die ihr Leben gerettet hat, das Singen wurde zu Ihrem Leben. Greta ist mit ihren 87 Jahren voller Kraft und Liebe!, ohne Kapitalismusdekadenz der älteren Damen, die ich hier in Wilmersdorf um mich habe.
Dann Sigalid Landau, eine wunderbare Künstlerin, Michel Kichka, es waren viele, wertvolle, offene Menschen.
Ich werde nach Tel Aviv fliegen, bald, ich muß sie noch einmal sehen, in ihrer Umgebung, ich weiß so wenig, ich weiß nur, daß es wichtig ist ‚nicht zu vergessen‘.
Ich weiß jetzt, auch wenn uns die Geschichte gelehrt wurde, es ist nicht vergleichbar mit den Erfahrungen, die wir machen können, wenn uns Zeitzeugen gegenüberstehen, sogar auch die 2. Generation. Michel Kichka, er hat eine Comic (Grafik Novelle) über seine Familie erarbeitet und mir geschenkt, es ist ein nachhaltiges Geschenk, noch nie zuvor habe ich von einem Fremden ein derart persönliches Geschenk bekommen, was für ein wunderbares, treffendes Medium die tragische Geschichte seiner Familie, in Comicform zu verfassen. Sein Vater war in Ausschwitzt, sein Bruder hat sich erhängt und er, Michel, versucht bis heute auf die Bitte einzugehen, die sein Vater an ihm stellt, daß er Michel durch Ausschwitz führen kann, das Führen von Touristen hat er sich seitdem als Aufgabe gemacht. Ich war sehr berührt, weinte, fühlte mit Michel. Michel malte meiner Tochter an dem Abend viele kleine Comicgeschichten, wir lachten sehr..
es war eine außergewöhnliche Zeit....
liebe grüße bis bald tina
ABSCHIED
Schon vom Weitem kann ich an den aufgeschwollenen weinenden Gesichter sehen, dass es hier sein muss, die Verabschiedung. Ich bin zu früh, aber die Menschenschlangen bilden sich schon um die kleine Andachtskammer, da wo sie aufgebahrt liegt. Das Buch, draussen man kann sich eintragen. Ich erkenne bekannte Gesichter, ich versuche durch sie durchzuschauen es ist nicht der richtige Zeitpunkt sich zu begrüssen ich bin nicht hier um ‚Hallo, schön Dich zu sehen‘ zu sagen ich bin nicht da, um mich nach Ihrem Tun zu erkundigen, ich bin da um mich zu Verabschieden von einem Menschen den ich nie wieder sehen werde. Ich bin da um mit mir noch einmal bei ihr zu sein.
Ich trete ein, in diesem Moment machen sich zwei Welten auf, eine Welt, die draußen lebt, eine andere, die hier, im Jetzt existiert, das Innere.
Die Trauerneden sitzen vereinzelt auf den harten Holzbänken, ich sehe Ihren Atem, ein zarter Nebel, der sich schnell auflöst, die Stille, das Kreuz , die Kerzen in ihrer Symethrie, hinter dem Sark, das letzte Bett. Weich von Daunen umhüllt lieget sie da, der kleine Kopf im Weiß des letzen Kissens, die Nase ist winzig, die Backenknochen stehen hervor, sie liegt da gleich einer aus Holz geschnitzten allgäuer Weihnachtsfigur. Sie lebte noch vor paar Tagen, jeder wusste dass sie bald sterben wird, die bittere Realität ist, trotz dem Wissen, schwer zu verstehen. Die Stille ist spürbar, trotz vereinzelnt Weinender , leises Schluchzen, sie liegt da in der Mitte , eine zepetartige Kugel, ihre knochigen Hände umfassen sie, starr, die Nase, sie ist so sehr klein, erinnert mich an die Nase von Michael Jackson, kurz bevor er starb, ihre Backenknochen stehen hervor, eigentlich versuchen viele meiner Freunde mit Ihren Selfies so auszusehen, zumindest sind sie darum bemüht die Backenknochen hervorzuheben indem sie ihre Backen einziehen, um Ihre Zähne legen, jede noch so übertriebene Schönheits OP finde ich in ihrem Gesicht. Der weisse Teint, der wie eine Wachshaut um sie gelegt ist, keine Falten, sie sind weg!, wie sehr ich in diesem Moment meine Falten mag, viele spritzen sich Botox in die Falten um sie zu glätten, dabei kommen sie doch dem Bild des Todes damit immer näher, ohne es zu wissen. Der Tod hat keine Falten!. Das Alter existiert nicht mehr, wenn man erwachsen ist, es kann auch eine ältere Dame vor mir liegen, dabei war sie gerade vier Jahrzehnte auf dieser Welt. Im Tod sind wir alle gleich, vielleicht ist es das was unsere Gesellschaft möchte, dem Tod in seiner Austauschbarkeit näher kommen.
Es wird kalt um mich, ich ziehe mir die Handschuhe an, die Blumen, spährlich. Neben mir reicht mir eine fremde Frau die Hand, sie möchte den Schmerz teilen, zusammen ist man stark, ja, es stimmt, es tut gut, langsam leert sich der Raum. Ich gehe nach vorne, sehe sie ein letztes mal an, das war es, so schnell, so unfassbar schmerzlich. Ich denke ein letztes mal über Ihre und meine Sehnsüchte nach, mir wird das Jetzt bewußt, das Leben, es kann nur im Jetzt gelebt werden, ohne Sehnsüchte, die Hoffnung stirbt mit dem Jetzt, ich fühle mich leicht und hoffnungslos, ist es das, was Leben heißt.